Ein Fall für Spezialisten: rheumatoide Arthritis
Eine aktuelle Studie zeigt, dass insbesondere ältere Patienten mit rheumatoider Arthritis zu selten einen spezialisierten Facharzt aufsuchen. Fazit: Die Versorgung könnte deutlich besser sein.
Schätzungsweise rund ein Prozent der Weltbevölkerung leidet unter rheumatoider Arthritis (RA). Die chronische Gelenkentzündung kann in jedem Alter auftreten, doch die Wahrscheinlichkeit steigt mit den Lebensjahren. Meist setzt die Erkrankung, von der rund doppelt so viele Frauen wie Männer betroffen sind, zwischen dem 30. und 50. Geburtstag ein.
„Rheumatoide Arthritis schränkt in der Regel die Funktion der Innenhaut in Gelenken, Schleimbeuteln und Sehnenscheiden ein, die darin besteht, ‚Schmierflüssigkeit‘ für den Bewegungsapparat zu produzieren“, erklärt der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. Michael Jung, der in Berlin-Kreuzberg praktiziert. „Als Folge daraus kommt es zunächst zu Steifheit, vor allem am Morgen, Schwellungen, bisweilen Rötungen und später Verformungen. Wenn die Entzündung nicht fachgerecht behandelt wird, droht die schleichende Zerstörung des Gelenks. Heilbar ist rheumatoide Arthritis zwar nicht, doch sie lässt sich in Schach halten – wichtig ist eine möglichst frühzeitige Behandlung.“
24 Prozent mehr RA-Behandlungen in sechs Jahren
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung hat kürzlich unter anderem vertragsärztliche Abrechnungsdaten ausgewertet. Eine Erkenntnis lautet: Entgegen gängigen Schätzungen sind vermutlich mehr Deutsche von RA betroffen, nämlich 1,2 Prozent. Eine weitere: Zwischen 2009 und 2015 hat die Zahl der RA-Behandlungen um fast ein Viertel (24 Prozent) zugenommen.
Darüber hinaus zeigt die Analyse der Daten von 3,4 Millionen baden-württembergischen AOK-Patienten nach Meinung der Studienautoren, dass die RA-Versorgung in Deutschland suboptimal ist. Die Sterblichkeit von RA-Patienten liegt höher als die der Gesamtbevölkerung. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass viele Betroffene auf eine fachärztliche Behandlung verzichten: Insgesamt konsultierten praktisch alle RA-Patienten im untersuchten Jahr ihren Hausarzt, aber nur gut jeder zweite einen internistischen Rheumatologen und noch weniger, nämlich 41 Prozent, einen Orthopäden.
Bei den 85-Jährigen nimmt sogar mehr als jeder zweite keine fachärztliche Expertise in Anspruch, bei den 80- bis 84-Jährigen etwa jeder dritte. Angesichts des zerstörerischen Potenzials der Entzündungskrankheit sollte es jedoch Standard sein, sie von einem Spezialisten behandeln zu lassen – auch in späteren Lebensjahren.