Tierischer Klebstoff für Knorpel, Bänder und Sehnen

Ein Gewebekleber auf der Basis von Zecken-, Salamander- oder Muschelsekret? Klingt gewöhnungsbedürftig, hätte aber Vorteile gegenüber den herkömmlichen Verankerungsmethoden.

Dass die Natur immer noch die besten Materialien und Werkstoffe hervorbringt, ist kein Geheimnis. So ist beispielsweise Spinnenseide in ihrer Tragkraft und Robustheit unübertroffen. Ebenso verhält es sich mit Klebstoffen. Zahlreiche Tierarten produzieren Haftmittel, an die synthetische Stoffe nicht heranreichen.

Damit geben sie Anlass für eine verbreitete Vision: dass biologische Klebstoffe (nicht nur) in der Orthopädie und Unfallchirurgie großflächig Einsatz finden, etwa um Bänder und Sehnen an Knochen zu verankern, ganz ohne Metall. Ein weiteres mögliches Einsatzfeld sind Leberrisse und schwere Hautverletzungen. Die bisher verwendeten Gewebekleber sind insofern suboptimal, als sie entweder gut halten und nicht so gut verträglich sind oder umgekehrt.

„Wenn es gelänge, die derzeit erforschten Bio-Klebstoffe für operative Eingriffe nutzbar zu machen, wäre das ein großer Fortschritt“, ist der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. Michael Jung überzeugt. Der am Berliner Orthozentrum in der Berliner Friedrichstraße praktizierende Facharzt verfolgt die aktuelle Biomaterialforschung mit regem Interesse, ist er doch als Operateur quasi tagtäglich mit den Herausforderungen befasst, denen die tierischen Substanzen zugutekommen sollen. „Mechanische Verankerungen ziehen notwendigerweise auch gesundes Gewebe in Mitleidenschaft und sind grundsätzlich komplikationsanfälliger als haltbare Klebelösungen“, so Dr. Jung.

Derzeit im Fokus der Forschung: „Zecken-Zement“

Der jüngste Forschungsgegenstand auf diesem Gebiet ist eine Milbenart, die im Alltag Angst und Schrecken verbreitet: Zecken. Dass die als potenzielle Krankheitsüberträger gefürchteten Tierchen sich tagelang in der Haut festbeißen können, verdankt sich einer klebrigen, zementartigen Substanz.

An der Medizinischen Universität Wien versuchen Forscher derzeit, diesem Klebstoff auf den Grund zu gehen, um ihn nachbauen zu können. Zu diesem Zweck „halten“ die Wissenschaftler rund 300 österreichische Zecken, die demnächst um südafrikanische Riesenzecken ergänzt werden sollen.

Das Interesse der Biomaterialforscher genießen auch Seegurken, die ihre Beute mittels klebriger Fäden einfangen, und Insektenlarven, die vergleichbar vorgehen. Auch Krebse produzieren einen sehr haltbaren und zudem wasserresistenten Klebstoff. Die Miesmuschel-Haftfäden konnten Forscher bereits nachbauen, das Produkt befindet sich in der präklinischen Testphase. Und schließlich bringen auch Salamander mit ihren Hautdrüsen einen vielversprechenden Klebstoff hervor. Genug Material also, um große Hoffnungen zu rechtfertigen.